Von Mobile-Payment (offenbar auch M-Payment genannt – hat aber nix mit der Migros zu tun) habe ich – wie von so vielem – nicht wirklich Ahnung. Also quasi ideale Voraussetzungen, um darüber zu bloggen. Hier darf ich ja, denn mein Internet ist nicht geborgt.
Momentan sind viele Unternehmen, auch oder vor allem Start-ups, auf der Suche nach der richtigen Lösung für Mobile-Payment. Mein Arbeitgeber mischt auch ein wenig mit (jedenfalls meint das der Tagesanzeiger), und irgendwie habe ich sogar schon mal den Begriff “Payment-Olympiade” gehört. Olympiade, interessant. Sind wohl alle am Rennen zum Ziel, aber am Ende müssen sich die meisten trösten mit einem euphemistischen “Dabeisein ist alles”.
So ist es zum Beispiel Google ergangen, die mit ihrem Wallet vorerst nicht unbedingt gescheitert sind, aber das ganze Konzept doch nochmal neu überdenken müssen. Die guten Nachrichten daran: a) Google steht finanzell so gut da, dass es sich einfach mal einen 300-Millionen-Dollar-Flop leisten kann, und b) cool, so können wir alle aus Googles Fehlern lernen. Echte Pionierarbeit also. Danke, Google.
Und was ist nun schiefgelaufen? Zum einen hatte Google wohl mit den anfallenden Transaktionsgebühren zu kämpfen, d.h. Google hat bei jeder Transaktion draufgezahlt. Für mich leitet sich daraus die Regel ab: Wer mit Mobile-Payment Erfolg haben will, ist entweder selber schon eine Bank – oder wird eine (und führt alle Transaktionen selbstständig durch). Alternativ hat er ein verdammt gut ausgetüfteltes Drumherum, mit dem er die Verluste, die das eigentliche Payment verursacht, wieder ausgleicht und zu schwarzen Zahlen werden lässt (mir fielen da ein paar Ansätze ein – aber pssssst …)
Die andere Sache ist, dass Mobile-Payment zwar eine schöne Idee ist, aber nur die Anbieter, nicht jedoch die Benutzerinnen danach rufen. Das ist so ein bisschen wie bei der Zahlung mit EC-/Maestro-Karte: An jeder Kasse in deutschen Supermärkten steht geschrieben, dass Zahlen per EC-Karte ja so bequem ist, weil es viel schneller geht als Kleingeldsuche des Kunden und anschliessende Wechselherausgabe durch das Kassenpersonal. Tatsächlich geht diese Rechnung nur auf beim etwa 105 Jahre alten Opa, der wirklich auf den Cent genau passend zahlen möchte und jede Münze gefühlte 10 Minuten einzeln aus seinem Portemonnaie fischt. Bei jedem anderen schlägt der Prozess a) irgendeinen Schein raussuchen, dessen Wert grösser ist als die zu bezahlende Gesamtsumme, b) Eingabe des Geldscheinwertes durch das Kassenpersonal, c) Errechnen des Wechselbetrages durch das Kassensystem und d) Zusammensuchen und Herausgabe dieses Betrages durchs Kassenpersonal an den Kunden immer noch den Vorgang
- Karte ins Lesegerät an der Kasse einstecken
- Eingabe der PIN durch den Kunden (an die er sich vorher erstmal natürlich erinnern muss)
- Warten, bis eine Daten-/Internetverbindung von Karte und Kassensystem zu den Bezahlsystemen im Hintergrund aufgebaut ist (und das kann dauern)
- Checken der Bonität des Kunden
- positive Rückmeldung (im Idealfall) und Abbuchen des Zahlbetrages
Dieser Vorgang kann natürlich beliebig in die Länge gezogen oder n-mal wiederholt werden durch a) nicht-ausreichende Bonität des Kunden auf der einen Karte und das damit verbundene Kundenfeedback: “Moment, ich benutze eine andere Karte” (bzw. “Gestern ging sie doch noch.”), aber vor allem durch b) “Wie rum muss ich die Karte jetzt reinstecken?” – “Nee, so ist falschrum. Einmal drehen.” – “So?” – “Nee, noch einmal drehen.” (Weshalb gibt es eigentlich keine Karten, die man nur auf eine Weise ins Lesegerät stecken kann? Die Gimmicks in den Ü-Eiern schaffen es doch auch, dass die Bauteile eine eindeutige Steckrichtung haben.)
Jedenfalls, so richtig toll ist das Zahlen mit Plastikkarte bei kleinen Beträgen und an jeder Kasse nicht wirklich. Der eigentliche Vorteil von EC- und Kreditkarten ist: Ich als Benutzer habe (theoretisch) jederzeit beliebig viel Geld dabei, ohne es als Bargeld mitführen zu müssen (das Ganze im Rahmen meiner Bonität). D.h. wenn es mich unterwegs mal spontan nach einer grösseren Anschaffung und Ausgabe dürstet, kann ich diese auch vornehmen. Klasse, dafür liebe ich meine Karten.
Was ist nun der Kundenvorteil beim Mobile-Payment? Momentan möchte uns ein Grossteil der M-Payment-Anbieter weismachen, dass es doch toll wäre, wenn der Wust an Plastikkarten (Kredit- und Loyalty-Karten) in unseren Brieftaschen verschwinden würde. Aber mal ehrlich: Wie viele Menschen hast du schon mal klagen hören: “Oh Mann, mein Portemonnaie ist so schwer mit all diesen Kreditkarten darin! Mir tut schon mein Kreuz weh und in meinen Jacketts sind alle Innentaschen ausgerissen von dem Gewicht!” Wenn ich jedes Mal, wo ich eine ähnliche Klage vernommen hätte, einen Rappen bekommen hätte, dann … ja, genau, 0 Rappen wären zusammengekommen.
Bill Ready (mir bisher vollkommen unbekannt, aber offenbar CEO einer Firma namens Braintree Payment Solutions) bringt es in diesem Interview sehr schön auf den Punkt: Es gibt einfach keinen “pain point” des Benutzers beim Bezahlen an der Kasse im Geschäft:
Denn man hat auch selten Leute an der Kasse sagen hören: “Hach, jetzt muss ich schon wieder mein Portemonnaie aus der Tasche holen und dann darin noch das Bargeld oder die richtige Karte finden!” Ganz im Gegenteil, beim Bezahlen mit Mobilgeräten entstünde noch ein neuer “Pain Point”: Man wird abhängig von einer verfügbaren Internetanbindung – und noch mehr als bisher schon vom elektrischem Strom. Hat es eins davon nicht, ist’s Essig mit dem Bezahlen. Und wie oft haben wir allein schon bei den SBB Reisende, die mit der App SBB Mobile ihr Ticket gekauft haben, es dann aber wegen einem zu niedrigen Handyakkustand im Zug nicht vorweisen können?
Übrigens steckt im Rest des oben angeführten Interviews steckt auch schon der Hinweis, wo die heutigen Benutzer wirklichen Schmerz fühlen – beim Bezahlen im Internet. Das fühlt sich derzeit etwa so an:
Warum kann man beim Bezahlen in Online- und Mobile-Shops nicht einfach eine virtuelle Währung aus der virtuellen Brieftasche ziehen, sondern muss sich an Benutzernamen, Passwörter und andere Zugangscodes erinnern, die bei jedem Onlineshop auch noch unterschiedlich sind? Ist doch fürchterlich. Kein Wunder, spricht Bill Ready von einer Abbruchrate von 66 bis 75% bei Einkauferlebnissen auf mobilen Endgeräten.
Fazit:
Man soll immer positiv denken: Herausforderungen gibt es noch genug. Wir im EDV-Umfeld werden uns sicher weder langweilen noch arbeitslos werden. Und super fände ich, wenn es mal eine Second-Screen-Lösung gäbe für Payment: Wie geil wäre das denn, wenn ich zwar an einem beliebigen Desktop-Rechner in einem Online-Shop stöbere und meinen Warenkorb fülle, beim Checkout (neudeutsch für “Bezahlen”) aber mein Handy zücken und mit den darauf hinterlegten Daten bezahlen kann – ohne Eingabe von “Username” und “Password”, sondern einfach durch Entsperren meines Smartphones mittels Eingabe der PIN.
Da fällt mir ein, ich wollte ja auch nochmal was zu Second Screen bloggen …